Auswanderer

Gotthilf u.Heinrich Glöckler

Den beiden sieht man es förmlich an: sie fühlten sich nach der Konfirmation „Erwachsen“. Mit Hut und Krawatte Anfang der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Lange sollten die Zwillinge Gotthilf und Heinrich Glöckler von der Wette nicht mehr in Derdingen bleiben.

 

Die 20er Jahre waren eine böse Zeit - auch in Derdingen gab es keine Arbeit, die Steinbrüche auf dem Hagenrain, Eschenfeld oder Horn lagen brach. Die 1925 gegründete BLANCO steckte, was ihre Mitarbeiterzahl betraf, noch tief in den Kinderschuhen. Um der Perspektivlosigkeit hier in der armen und verkehrsfernen Weinbaugemeinde zu entfliehen, waren bereits Berta, Frieda und Pauline Glöckler in die „Neue Welt“ gezogen. Nun holten sie ihre Brüder kurz nach deren Konfirmation nach. „Ausgewandert nach Nordamerika“ stand bei so mancher Derdinger Familie in den Kirchenbüchern. Bloß die Tochter Luise und ihre Eltern Karl und Karoline Glöckler blieben hier, ihre anderen Kinder suchten ihr Fortkommen in Übersee.

 

Eigentlich war im 19. Jahrhundert die Auswanderung eine typische Alternative, um der Armut in Württemberg zu entgehen. Amerika, das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ lockte, und eine Zeitlang auch die Kolonien, vor allem in Afrika. Aber nach dem ersten Weltkrieg, besonders in der Zeit der Inflation, von 1920 bis 1923 stiegen nochmals die Auswandererzahlen dramatisch an. Ab 1919 hatte der Staat eine einheitliche „Reichsstelle für das Auswanderungswesen“ mit einer Zweigstelle in Stuttgart eingerichtet. Sie beriet Auswanderungswillige und auch das „Deutsche Auslandsinstitut“ nahm sich ihrer an.